11: Chronische Niereninsuffizienz: Symptome und Diagnose

Bei der chronischen Niereninsuffizienz nimmt die Nierenfunktion sehr langsam über Monate und Jahre hinweg ab. Dadurch hat der Körper genügend Zeit, sich an die schädlichen Wirkungen anzupassen, die aus der verminderten Nierenleistung resultieren. Außerdem verfügt die Niere über bemerkenswerte Fähigkeiten, mit denen sie zu Beginn ihre verminderte Funktionsleistung kompensieren kann. Infolgedessen weisen die meisten Patienten erst Symptome auf, wenn die Nierenfunktion bereits stark vermindert ist.

Die Funktionen, die die Nieren im Körper wahrnehmen, sind sehr variabel. So fallen ihnen beispielsweise folgende Aufgaben zu: das Ausscheiden von Stoffwechselendprodukten und überschüssigem Wasser, die Kontrolle des Blutdrucks, das Aufrechterhalten des Elektrolythaushalts, die Herstellung des Hormons Erythropoetin. Aus diesem Grund variieren auch die Symptome bei den Patienten sehr stark, weil es immer auf das Ausmaß der jeweiligen Störung der Nierenfunktion ankommt.

Was sind die Symptome der chronischen Nierenkrankheit?

Die Symptome der chronischen Niereninsuffizienz variieren nach dem Schweregrad der Erkrankung. Zum besseren Verständnis und zur Planung von Behandlungsstrategien wird die chronische Nierenkrankheit in fünf Stadien eingeteilt. Hierbei orientiert man sich an der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Dieser Wert spiegelt die Leistung der Filterarbeit der Nieren wieder und wird durch den Kreatininwert im Blut bestimmt. Normalerweise sollte dieser Wert größer als 90ml/min sein.

In den Stadien 1-4 der chronischen Nierenkrankheit weisen die meisten Betroffenen keine Symptome auf.
Stadium 1 Stadium 2 Stadium 3 Stadium 4 Stadium 5
normale rsagen GFR Leichte Nierenins-uffizienz Mittlere Nierenins-uffizienz Schwere Nierenins-uffizienz Nierenve
GFR> 90 ml/min 60-89 ml/min 30-59 ml/min 15-29 ml/min <15 ml/min

Stadium 1 (Nierenfunktion 90-100%)

Dieses Stadium beschreibt die früheste, noch asymptomatisch verlaufende Phase der chronischen Nierenkrankheit, bei dem noch keine wesentliche Einschränkung der Entgiftungsfunktion aufgetreten ist. Es wird ein unauffälliger Kreatininwert gemessen. Die chronische Niereninsuffizienz Stadium 1 kann nur durch routinemäßig durchgeführte Labormessungen oder Zufallsdiagnosen, also bei Untersuchungen, bei denen eigentlich die Behandlung anderer Krankheiten im Mittelpunkt steht, festgestellt werden. Hinweise für eine chronische Niereninsuffizienz Stadium 1 können das Vorhandensein von Eiweiß im Urin (nephrotisches Syndrom), strukturelle Schädigungen, die in bildgebenden Verfahren (Röntgen, Ultraschall, MRT oder CT) auffallen, oder das vererbbare Krankheitsbild der Zystennieren sein.

Stadium 2 (Nierenfunktion 60-89%)

In dieser Phase liegt ein sehr geringer Funktionsverlust vor. Betroffene sind zumeist beschwerdefrei. Mögliche Anhaltspunkte für die chronische Nierenkrankheit Stadium 2 sind u.a.: nächtliches Wasserlassen (Nykturie), erhöhter Blutdruck, Auffälligkeiten in der Urinzusammensetzung oder ein leicht erhöhter Serum-Kreatininwert.

Schwerer, unkontrollierter Bluthochdruck im Jugendalter ist ein typisches Erscheinungsbild der chronischen Nierenkrankheit.

Stadium 3 (Nierenfunktion 30-59%)

Das Stadium beschreibt einen moderaten bzw. mittelgradigen Funktionsverlust der Nieren. Die Patienten können entweder immer noch symptomfrei sein oder leichte Symptome aufweisen. Auffallend sind hier wieder der Nachweis von Eiweißen im Urin und ein erhöhter Kreatininwert.

CKD Stadium 4 (Nierenfunktion 15-29%)

Dieses Stadium beschreibt einen schweren Funktionsverlust. Hierbei ist ein breites Spektrum von Symptomen, die sehr mild und unspezifisch ausgeprägt sein können, bis zu sehr starken und schwerwiegenden Symptomen möglich. Die Ausprägung ist jeweils abhängig von den zugrunde liegenden Ursachen des Nierenversagens und den damit verbundenen Krankheiten.

CKD Stadium 5 (Nierenfunktion beträgt weniger als 15%)

Hierbei handelt es sich um einen sehr schwerwiegenden Funktionsverlust der Nieren, sodass man auch vom Terminalstadium des Nierenversagens spricht. Auch hier ist die Bandbreite der Symptome sehr variabel, die von mittelschweren oder schweren Symptomen bis zu lebensbedrohlichen Komplikationen reichen können. Zu diesem Zeitpunkt helfen dem Patienten auch keine hochdosierten Medikamente mehr und eine Dialysebehandlung oder Nierentransplantation wird nötig.

Die chronische Niereninsuffizienz verursacht oftmals niedrige Hämoglobinwerte (Anämie).

Symptome

Häufige Symptome von Nierenerkrankungen sind:

  • Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen
  • Schwäche, leichte Ermüdbarkeit und Gewichtsverlust
  • Schwellungen (Ödeme) an den Beinen, Händen oder im Gesicht (v.a. um die Augen herum)
  • Bluthochdruck, vor allem in Jugendalter oder schwere unbehandelte Hypertonie
  • Blässe, die infolge einer Anämie aufritt, die wiederum durch die verringerte Produktion von Erythropoetin durch die Nieren verursacht wird
  • Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche und Schwindel
  • Juckreiz, Muskelkrämpfe oder ruhelose Beine
  • Schmerzen unterhalb der Rippen
  • vermehrter Harndrang, vor allem in der Nacht (Nykturie)
  • Knochenschmerzen, Frakturen bei Erwachsenen und verzögertes Wachstum bei Kindern aufgrund der verringerten Produktion der aktiven Form des Vitamins D durch die Nieren
  • Vermindertes sexuelles Verlangen, erektile Dysfunktion bei Männern bzw. bei Frauen Menstruationsstörungen
  • eine auffallende Zunahme von Todesfällen, die durch kardiovaskuläre Erkrankungen verursacht werden, stehen oftmals auch mit Nierenerkrankungen in Verbindung
Schwäche, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Ödeme sind häufige Spätsymptome der chronischen Niereninsuffizienz.

Wann muss bei Bluthochdruckpatienten eine chronische Niereninsuffizienz vermutet werden?

Bei Personen, die einen erhöhten Blutdruck (Hypertonie) haben, vermutet man eine chronische Nierenerkrankung, wenn:

  • betroffene Personen jünger als 30 bzw. älter als 50Jahre sind, wenn die Diagnose Hypertonie gestellt wird.
  • wenn der Blutdruck zum Zeitpunkt der Diagnose sehr hoch ist, z.B. über 200/120mmHg.
  • starker unkontrollierbarer Bluthochdruck, auch bei regelmäßigen Kontrollen zu beobachten ist.
  • Probleme mit dem Sehvermögen auftreten, die durch Bluthochdruck verursacht werden.
  • Eiweiß im Urin nachgewiesen werden kann.
  • bei Bluthochdruckpatienten Symptome auftreten, die mit chronischer Niereninsuffizienz assoziiert werden, wie z.B. Ödeme, Appetitlosigkeit oder Schwächegefühl

Welche Komplikationen können während des fortgeschrittenen Stadiums der chronischen Nierenerkrankung auftreten?

Eine progressive Entwicklung der chronischen Nierenkrankheit kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Folgende Problematiken können auftreten:

  • Atemnot und Brustschmerz durch starke Wassereinlagerungen, vor allem in der Lunge (Lungenödem), und ein sehr hoher Blutdruck
  • starke Übelkeit und Erbrechen
  • starkes Schwächegefühl
  • Komplikationen, die im Zusammenhang mit dem zentralen Nervensystem stehen: Verwirrung, extreme Schläfrigkeit, Krämpfe, Bewusstlosigkeit
  • Ein erhöhter Kaliumspiegel im Blut (Hyperkaliämie), der die Funktionsfähigkeit des Herzens beeinträchtigen kann. Somit kann dieser Zustand lebensbedrohlich werden.
  • Perikarditis (Herzbeutelentzündung)
Mithilfe drei einfacher Untersuchungen (Blutdruckmessung, Urinuntersuchung, Kontrolle bestimmter Blutparameter) können Nierenerkrankungen frühzeitig festgestellt werden.

Diagnose

Die Diagnose der chronischen Nierenkrankheit

Bei der chronischen Niereninsuffizienz treten zu Beginn der Erkrankung normalerweise keine Symptome auf. In diesem Stadium können lediglich im Labor untersuchte Proben Hinweise auf sich entwickelnde Problemstellungen liefern. Ein solcher Labortest wird nötig, wenn der Verdacht einer chronischen Niereninsuffizienz besteht. Drei einfache Screening-Tests für die chronische Nierenkrankheit sind das Blutdruckmessen, die Urinuntersuchung hinsichtlich des Albumin Nachweises sowie das Messen des Kreatininwertes.

1. Hämoglobin

Im Blutbild eines Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz ist in der Regel ein niedriger Hämoglobinwert auffällig, der durch die reduzierte Produktion von Erythropoetin in den Nieren verursacht wird. Eine Anämie ist die Folge.

2. Urinuntersuchung

Das Vorhandensein von Albumin oder anderen Eiweißen im Urin (die sogenannte Albuminurie oder Proteinurie) gilt als ein frühzeitiger Hinweis auf eine chronische Niereninsuffizienz. Bei Diabetikern zählen bereits winzige Mengen von im Urin nachgewiesenen Albumin (auch als Mikroalbuminurie bekannt) als Anzeichen für eine chronische Nierenkrankheit. Die Anwesenheit der Eiweiße im Urin kann aber auch durch Fieber oder schwere körperliche Tätigkeiten hervorgerufen werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass andere Ursachen einer Proteinurie ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose chronische Niereninsuffizienz gestellt wird.

3. Serum-Kreatinin, Harnstoff-Stickstoff und eGFR

Dies sind die am Häufigsten untersuchten Laborparameter zur Diagnose und Kontrolle von Nierenversagen. Mit der Verschlechterung der Nierenfunktion, steigt der Kreatinin- und Harnstoffwert an. Mit Hilfe des regelmäßig ermittelten Kreatininwertes kann der Verlauf sowie der Behandlungserfolg der chronischen Niereninsuffizienz beurteilt werden.

Ein typisches Anzeichen der chronischen Niereninsuffizienz sind im Ultraschall auffallend geschrumpfte Nieren.

Daraus folgt, dass der Kreatininwert ein aussagekräftiger Richtwert bezüglich der Nierenfunktion ist. Dennoch gilt der sogenannte eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) Wert als noch zuverlässiger. Mithilfe dieses Parameters kann die Nierenerkrankung bereits in den Anfangsstadien nachgewiesen werden. Der eGFR Wert wird nach Alter, Geschlecht sowie der Kreatininkonzentration im Blut berechnet. Die Bestimmung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate ist sehr hilfreich für die Diagnosestellung und der Einschätzung des Krankheitsverlaufs. Weiterhin stellt dieser Wert die Basis für die Einteilung der chronischen Niereninsuffizienz in 5 Stadien dar. Diese Charakterisierung der Stadien ist sehr nützlich, um zusätzliche Untersuchungen und Behandlungen zu empfehlen.

4. Ultraschall der Niere

Der Ultraschall stellt eine einfache und effektive Untersuchungsmethode im Zuge der Diagnosestellung der chronischen Nierenkrankheit dar. Bei diesem Krankheitsbild fallen geschrumpfte Nieren im Ultraschallbild auf. Wenn bei Erwachsenen die chronische Niereninsuffizienz durch polyzystische Nieren, diabetische Nephropathie oder Amyloidose verursacht wird, können auch normal große oder sogar vergrößerte Nieren festgestellt werden. Der Ultraschall findet auch Anwendung bei der Diagnose der chronischen Niereninsuffizienz, die durch Harnwegsverlegung oder Nierensteine verursacht worden ist.

5. Andere Untersuchungen

Bei der chronischen Niereninsuffizienz sind verschiedene Funktionsabläufe der Niere beeinträchtigt. Folglich werden auch unterschiedliche Untersuchungen notwendig, um die jeweiligen Störungen einschätzen zu können. Häufig durchgeführte Blutuntersuchungen bei den betroffenen Patienten dienen dem Folgenden:

Fieber, die Entwicklung neuer Symptome bzw. eine schnelle Verschlechterung der bereits bekannten Symptome einer Nierenerkrankung müssen dringend behandelt werden.
  • Untersuchung hinsichtlich des Elektrolyt- sowie des Säure-Basen- Haushalts (Natrium, Kalium, Magnesium, Hydrogencarbonat)
  • Nachweis einer Anämie (Hämatokrit, Ferritin, Transferrinsättigung, Blutausstrich)
  • Untersuchungen hinsichtlich eventueller Knochenerkrankungen (Kalzium, Phosphor, alkalische Phosphatase, Parathormon)
  • allgemeine Blutuntersuchungen (Serum-Albumin, Cholesterin, Triglyceride, Blutzucker und HbA1c)

Des Weiteren werden bei betroffenen Patienten auch häufig EKGs geschrieben oder die Echokardiografie durchgeführt.

Wann sollte ein Patient, der von chronischer Niereninsuffizienz betroffen ist, einen Arzt aufsuchen?

Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz sollten umgehend einen Arzt aufsuchen, wenn sie folgende Anzeichen bei sich feststellen:

  • eine schnelle unerklärliche Gewichtszunahme, eine deutliche Verringerung des Urinvolumens, eine stärkere Ausprägung der Ödeme, Kurzatmigkeit bzw. Atemschwierigkeiten beim Schlafen
  • Brustschmerzen, sehr langsamer oder schneller Herzschlag
  • Fieber, schwerer Durchfall, stark ausgeprägte Appetitlosigkeit, Erbrechen, Blut im Erbrochenen oder unerklärlicher Gewichtsverlust
  • Muskelschwäche
  • Verwirrung, Benommenheit, Krämpfe
  • eine akute Verschlechterung des bisher gut eingestellten Bluthochdrucks
  • Blut im Urin bzw. starke Blutungen